Ein Projekt der Koblenzer Kulturwissenschaft
und des Innenministeriums Rheinland-Pfalz

Absturzstelle eines amerikanischen B17-Bombers in Mechtersheim

Lost Places in Römerberg

Es war ein Drama, das sich am 20. Januar 1945 um die Mittagszeit im Himmel über Mechtersheim abspielte. Ein amerikanischer B17-Bomber wurde von Flak getroffen und stürzte bei Mechtersheim ab.

Ein B17-Bomber, Teil eines Geschwaders von 36 weiteren Bombern aus dem kleinen Ort Nuthampstead in England, einer Basis der Royal Air Force, war mit dem Ziel gestartet, Ludwigshafen und Mannheim zu beschießen. Doch es wurde der letzte Flug der Maschine. Östlich des Mechtersheimer Sportplatzes und nordöstlich des Naherholungs-spielplatzes stürzte die Maschine ab.

Ein amerikanischer B-17-Bomber-Verband bei der Beschießung von Schweinfurt am 17.08.1943. Ein solcher Flieger stürzte bei Mechtersheim ab (Bild: gemeinfrei, via Wikimedia-Commons).
Ein amerikanischer B-17-F-Bomber (Bild: gemeinfrei, Wikimedia-Commons)

Second Lieutenant Nick Marabeas, Schütze in einem der US-Bomber, berichtet über das Absturzereignis:

„Beim zweiten Anflug auf das Ziel in Mannheim lag unser Flugzeug etwa eine Viertelmeile hinter den anderen. Dabei sah ich, dass ein Flugzeug sich von der Formation löste und nach rechts abbog. Es schien aber unter Kontrolle zu sein, ich konnte kein Feuer sehen. Doch flog es mit normaler Sinkgeschwindigkeit hinunter in die Wolken.“

Es handelte sich um den B17-Bomber des Piloten James R. Mitchell, seines Co-Piloten Henry A. Skubik und sieben weiterer Besatzungsmitglieder, deren Maschine von der Flugabwehr in Mannheim getroffen worden war. Zeitzeugen und Dokumente

schildern, dass das Flugzeug in Höhe Philippsburg den Rhein überquerte, eine große Kurve flog und sichtbar brennend aus Richtung Lustadt über Weingarten / Schwegenheim in Richtung Mechtersheim kam, wo es in der Nähe des Sportplatzes auf das freie Feld stürzte. Pilot Mitchell, der als einziger die Maschine nicht mehr verlassen konnte, verbrannte in dem Wrack an der Absturzstelle. Der Co-Pilot Henry Skubik berichtete später, dass ein Motor in Brand geraten war und schließlich der gesamte Flügel in Flammen stand. Einer nach dem anderen verließ das Flugzeug. Nur der Pilot wollte die Maschine in acht Kilometer Höhe noch halten, bis alle abgesprungen waren.

Die Besatzung des B17-Bombers, der bei Mechtersheim abstürzte. Der Pilot James R. Mitchell (unten links) starb bei dem Absturz. Der Co-Pilot Claude Wilson (2. von links unten) flog nicht, wurde von Henry Skubik ersetzt. Skubik berichtete später von dem Ereignis. Auch der Schütze Sergeant Island B. Brown, (zweiter von rechts oben) wurde verhaftet und gab später einen Bericht ab (Bild: IG Heimatforschung).
Der Zeitzeuge Heinrich Hirth (1931-2020) aus Mechtersheim berichtet vom Schicksal des amerikanischen B-17-Bomber-Piloten, nach dem Absturz in Mechtersheim-Römerberg am 20. Januar 1945 (Video: IG Heimatforschung).

Heimatforscher am Werk

Hobbyhistoriker Erik Wieman, Begründer der IG Heimatforschung, konnte an der Absturzstelle Überreste von Flugzeugteilen, aber auch sehr viel Munition, sicher stellen. Auf der Ackerfläche fand sich über hunderte Meter verstreut eimerweise Material, das durch den Kampfmittelräumdienst Rheinland-Pfalz entsorgt werden musste. Wieman hat ständigen Kontakt zu fünf Familien der ehemaligen Flugzeugbesatzung und führte mit einem Mechtersheimer Zeitzeugen ein Interview.

Der Zeitzeuge Heinrich Hirth (1931-2020) aus Mechtersheim berichtet vom B17-Bomber-Absturz in Mechtersheim-Römerberg am 20. Januar 1945 (Video: IG Heimatforschung).

Der Co-Pilot des B17-Bombers Henry Skubik (Bild: IG Heimatforschung).

Der Co-Pilot wird bedroht und bespuckt

Skubik landete mit dem Fallschirm auf einem zugefrorenen „Teich“, vermutlich bei Lingenfeld, möglicherweise im Bereich Lochmühle oder am Altrhein. Er verlor dabei das Bewusstsein. Als er wieder erwachte, standen zwei Soldaten über ihm, die ihn schließlich zu Fuß in den nächsten Ort brachten. Dort musste er erleben, dass sich eine wütende Menge um ihn versammelte, die ihn bespuckte und mit faulen Früchten bewarf. Ein eintreffender Offizier ließ ihn niederknien und hielt ihm die Pistole an den Kopf. Henry Skubik dachte, dass seine letzte

Stunde geschlagen hätte und schickte ein Gebet zum Himmel. Der Offizier drückte ab, doch die Waffe war nicht geladen. Zunächst wurde er in ein Durchgangslager der Luftwaffe bei Nürnberg gebracht, wo man ihn erkennungsdienstlich behandelte und verhörte. Schließlich internierte man ihn in das Kriegsgefangenenlager Luft III (Stammlager der Luftwaffe) mit 10.000 Insassen und entsprechenden hygienischen Bedingungen. Drei Monate später wurden die Gefangenen von einer amerikanischen Panzereinheit befreit.

Ausschnitt der US-Akte zu den Besatzungsmitgliedern. Der Vermerk “captured” verweist auf die Gefangennahme der jeweiligen Mitglieder. Dass Mitchell beim Absturz ums Leben kam, konnte die US-Airforce zum damaligen Zeitpunkt nicht wissen (Bild: IG Heimatforschung).

Der amerikanische Schütze berichtet

Island B. Brown (Bild: IG Heimatforschung).

Auch der Schütze im Kugelturm der Maschine, Sergeant Island B. Brown, hat seine Erlebnisse am Tag des Absturzes und während der Kriegsgefangenschaft detailliert beschrieben:
„Den ganzen Weg zum Ziel wurden wir immer mal wieder beschossen durch Flak. (…) Noch eine gewisse Zeit, bevor wir Mannheim erreichten, verloren wir bereits durch Flak einen der Motoren. Über den Interkom wurde diskutiert, ob wir zurückfliegen sollten, aber der Pilot entschied, dass er es auch mit drei Motoren bis zum Ziel schaffen würde. Wären wir zurückgekehrt und hätten die Formation verlassen, wären wir über feindlichem Gebiet auch ein leichtes Ziel gewesen, alleine ohne Jagdfliegereskorte.“
Über Mannheim warfen die Flugzeuge ihre Bomben ab, doch Browns Maschine wurde erneut durch Flak getroffen und der Turmschütze Brown

im linken Bein und Arm verletzt. Mit Mühe hangelte sich dieser aus seinem Kugelturm bis zur Tür des Flugzeugs, das sich inzwischen im steilen Sinkflug befand. „Ich erreichte die Tür, aber es war schwer mich soweit hinauszulehnen, dass der Luftstrom mich herausziehen konnte. Aber es gelang. Ich landete in einem Feld mit knietiefem Schnee, und der Wind zog mich über einen Stoppelacker. Wie man im Training gelernt hatte, fing ich an, ein Loch im Schnee zu graben, um meinen Fallschirm zu verstecken, aber plötzlich sah ich zwei deutsche Soldaten auf mich zu rennen.“ Von wütendem Mob bedroht gab Brown den Plan, seinen Schirm zu vergraben, auf und rannte zu einem Wäldchen auf der anderen Seite des Feldes, wie er berichtet. „Die Soldaten feuerten zwei Schüsse auf mich ab, und als ich zurückschaute, sah ich auch, dass sich

mittlerweile an die 25 Menschen auf dem Feld versammelt hatten. Die Zivilisten waren sauer und ein junger Mann mit einem Messer machte danach mehrmals Andeutungen, dass er meinen Hals durchschneiden würde. Die zwei Soldaten hielten mich links und rechts fest und trugen mich zu einem Lkw, der dort am Wegesrand stand. Der Lkw war voll beladen mit Brot. Sie befahlen mir auf der Ladefläche auf dem ganzen Brot Platz zu nehmen, und als ich nicht schnell genug reagierte, zogen sie ihre Pistolen und hielten mir diese an die Schläfen.“ Mit dem Auto wurde Brown in das zerbombte Mannheim gebracht. Auch er kam in das Kriegsgefangenenlager Luft III.

Fundstücke des B17-Bombers, der bei Mechtersheim abgestürzt ist (Bild: IG Heimatforschung).

Schicksal der weiteren Besatzungsmitglieder

Der Absprung von zwei weiteren Fallschirm-springern aus dem Bomber konnte an dem kalten Januartag 1945 von den umgebenden Dörfern aus beobachtet werden. Bei Rheinsheim sprang der Funker Charles F. Spear ab. Ein weiterer Fallschirmspringer landete im Lehwald bei Weingarten und wurde um 12 Uhr von der deutschen Militärpolizei aufgespürt. Und ein Besatzungsmitglied wurde durch Erwin Kirschbaum, Soldat der 1. Reservekompanie Edenkoben, der französische Kriegsgefangene zu bewachen hatte, in der Gewann Untere Mulde in Oberlustadt tot aufgefunden. Es war der

Bordingenieur Nelson R. Beyer. Sein Fallschirm war beschädigt und konnte sich offensichtlich nicht richtig öffnen. Bei dem abgestürzten Amerikaner fanden sich eine Brieftasche mit fünf englischen Pfundnoten und ein Kettenarmband mit der Gravur N. R. Beyer. Eine Waffe wurde nicht gefunden. In der letzten Phase des Krieges begrub man deutsche und fremde Soldaten meist am Rand der örtlichen Friedhöfe. Nach dem Krieg wurden viele umgebettet. Nelson Beyer und James Mitchell erhielten ihre letzte Ruhestätte im Lothringer US-Friedhof Saint Avold. Nelsons Eltern Katie M. und John Abner B. Beyer hatten außer

ihm noch drei Söhne und eine Tochter. Nelson war das jüngste Kind, geboren am 24. Februar 1920. Er wurde 25 Jahre alt. Der Vater starb 1957, die Mutter 1969. Der sehr deutsch klingende Familienname Beyer lässt sich zurückverfolgen bis zum Ururgroßvater Jacob Beyer, der 1798 in Pennsylvania geboren wurde. Er ist dort auf einem Mennoniten-Friedhof begraben. Es lässt sich vermuten, dass dessen Vater vielleicht im 18. Jahrhundert aus Deutschland, eventuell sogar aus der Pfalz nach Amerika auswanderte.

Der Cimetière américain de Saint-Avold in Lothringen. Hier liegen die Crew-Mitglieder Nelson Beyer und James Mitchell begraben (Bild: Aimelaime~commonswiki via Wikimedia Commons).

SWR-Beitrag zur Einweihung eines Gedenksteins in Römerberg-Mechtersheim, der an den Absturz des amerikanischen B-17-Bombers im Jahre 1945 erinnert (gesendet am 24. Aug. 2024).

Gedenkstein nahe der Absturzstelle

Am 24. August 2024 wurde von der Gemeinde Römerberg mit Ortsbürgermeister Matthias Hoffmann gemeinsam mit der Interessengemeinschaft Heimatforschung Rheinland-Pfalz unter Führung von Erik Wieman im Norden des Nah-erholungsspielplatzes ein Gedenkstein mit den Namen der Besatzungsmitglieder des US-Bombers errichtet. Bei der Feier waren zahlreiche Vertreter der amerikanischen Streitkräfte des Luftwaffenstützpunkts in Ramstein sowie der deutschen Luftwaffe anwesend. Besonders bewegend war die Teilnahme von Nachkommen der Besatzungs-mitglieder an der Feier und ihre Berichte darüber, was die Soldaten später über das Erlebte erzählten.

Text: Hartwig Humbert, Verein für Heimat- und Brauchtumspflege in Römerberg e.V.

AFN-Euro-News Beitrag in englischer Sprache zur Einweihung eines Gedenksteins in Römerberg-Mechtersheim, der an den Absturz des amerikanischen B-17-Bombers im Jahre 1945 erinnert (gesendet am 24. Aug. 2024).